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Soroka's last nest

Dieses Portrait zeigt Soroka, wenige Monate vor ihrem Verschwinden.
A portrait of Soroka, few months before she disappeared.

Sorokas letztes Nest

Der Weg vom Camp zu den Bonobos ist fast immer ziemlich lang und als Sonya und Colin losgegangen sind, war es noch dunkel. Inzwischen hat sich der Himmel rosa gefärbt und sie machen ihre Stirnlampen aus. Sonya, die vorausläuft, entdeckt das Nest zuerst. Damit haben die Beiden nicht gerechnet. Zum einen stimmt die Position nicht mit der überein, die das Team am Vorabend auf dem GPS markiert hat. Außerdem ist das Nest mitten auf dem Waldweg. Bodennester sind bei Bonobos selten. Es kommt schon mal vor, dass ein Bonobo für eine Rast am Tag seinen Ruheplatz am Boden baut. Die lange Ruhephase während der Nacht verbringen sie jedoch immer in sicherer Höhe. Im Nest liegt Soroka, das älteste Weibchen der Ostkommune. Und sie ist allein, kein anderer Bonobo ist weit und breit zu sehen. Auch von ihrem Sohn Soso keine Spur. Ganz klar, hier ist irgendetwas nicht in Ordnung. Sorokas wirkliches Alter ist nicht bekannt aber ihr Aussehen deutet darauf hin, dass sie ein langes Leben hinter sich hat. Weitere Indizien die für ein hohes Alter sprechen sind, dass sie in den vergangenen zehn Jahren keine Kind bekommen hat und dass ihr Sohn Soso längst erwachsen ist. Wenn diese Hinweise nicht trügen, dann hat sie ihre „postreproduktive“ Lebensphase, bei Menschenfrauen spricht man von Menopause, erreicht.
Sonya und Colin haben sich in einiger Entfernung vom Nest hingesetzt und machen sich Notizen. Ihnen ist klar, dass sich vor ihren Augen etwas Ungewöhnliches abspielt. Seit mehreren Wochen berichteten Assistenten, dass Soroka abgemagert ist, langsamer läuft als sonst und manchmal Mühe hat, mit der Gruppe Schritt zu halten. Langsam richtet Soroka auf, macht ein paar Schritte und hockt sich gleich wieder hin. Sie kratzt sich die knochigen Schultern, die Haare sind stumpf und zerzaust und es sieht aus, als hätte ihr schon lange niemand mehr das Fell gepflegt. Allein gelassen hat die Gruppe sie jedoch bisher noch nie. Aber vielleicht ist es ja auch Soroka, die sich von den anderen abgesondert hat. Nach mehr als zwanzig Jahren Feldforschung im Wald von LuiKotale ist über das Leben der Bonobos ziemlich viel bekannt, nicht aber, wie es zu Ende geht. Das Verschwinden erwachsener Bonobos ist ein seltenes Ereignis und passiert ohne Vorwarnung. Nach einer längeren Pause steht Soroka auf und läuft langsam den offenen Pfad entlang. Bevor die magere Gestalt im dichten Pflanzengewirr verschwindet, dreht sich Soroka noch einmal um und blickt ruhig in Richtung der menschlichen Begleiter. Sonya und Colin entscheiden, ihr nicht weiter zu folgen. Sie kehren zu dem verlassenen Nest zurück, vielleicht dem letzten, was Soroka in ihrem Leben gebaut hat.

Soroka's last nest

The walk to the night nets site is usually quite long and when Sonya and Colin set off from camp, it was still dark. Now the sky is turning into a pale pink, bright enough to turn off their headlamps. Sonya who is walking in front sees it first: a flimsy bundle of leaves and twigs in the middle of the trail, a bonobo sleeping nest. The encounter comes as a surprise because the position does not match at all the one, that the team following the group on the day before has marked on the GPS. Moreover, the bundle of leaves and twigs is placed on the forest floor. During daytime, it can happen that a bonobo builds its resting place on the ground to have a nap but for the long night rest, nests are always located in the canopy of forest trees. The bonobo in the nest is Soroka, probably the oldest female of East community. And she is alone; no sign of another bonobo, even her son Soso is missing. Clearly, something is wrong here. Soroka's real age is unknown, but her appearance suggests that she has lived a long life. Indirect support for this assumption comes from the fact that she has not given birth for the past ten years, and that her son Soso who is usually in close proximity to his mother, has reached adulthood a long time ago. Taken together, it seems safe to say that Soroka has reached her "post-reproductive" phase of life, a life stage known as menopause in humans.
Sonya and Colin have sat down some distance from the nest and are taking notes. It is clear to them that something unusual is happening here. For several weeks, assistants have reported that Soroka’s health status is not good, that she is getting thinner, that she walks more slowly than usual and sometimes struggles to keep up with the group. Slowly Soroka straightens up, takes a few steps and sits down again. She scratches her bony shoulders, the hair is dull and messy; it looks as if it has not been groomed for a long time. Yet, until now the group has never left her alone. But maybe it is Soroka who has separated from the others. After more than twenty years of field research in the LuiKotale forest, a lot has been learned about the life of bonobos, but close to nothing about how it ends. The disappearance of adult bonobos is a rare event that happens usually without warning - individuals just fade away.
After another long pause, Soroka gets up and walks slowly along the open path. Before the skinny body disappears in a dense patch of vegetation, she turns her head and looks in the direction of the two assistants. Sonya and Colin decide not to follow her any further and return to the abandoned nest, perhaps the last one Soroka built in her life.
 

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